16.01.2024 / News
KI und Kollaboration -Was die CES 2024 in Las Vegas für die Automobilindustrie bringt
von PGSchon im Vorfeld der Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas (9. - 12. Januar) war klar, dass Künstliche Intelligenz (KI) das dominierende Thema der Messe sein wird. Kein Gadget, keine Innovation kommt ohne KI daher - und das branchenübergreifend und unabhängig von der Unternehmensgröße in einer atemberaubenden Geschwindigkeit. Eine große Chance für Innovationen und neue Geschäftsmodelle in der Automobilindustrie!
KI hat massiven Einfluss auf neue Fahrzeuggenerationen
So integrieren zahlreiche Fahrzeughersteller KI beispielsweise in die Sprachsteuerung, um diese noch intuitiver und personalisierter werden zu lassen. Hersteller, wie beispielsweise Mercedes mit dem MBUX Sprach-Assistenten, setzen dabei auf ChatGPT. Mercedes spricht hier gar von einer "emphatischen KI" und einem "hyper-personalisiertem Kundenerlebnis". KI soll hier neue Funktionen ermöglichen und den Wünschen der Passagiere besser nachkommen. Denn auf Basis von Large Language Modellen (LLM) entwickeln sich die Sprachassistenten stetig weiter und ermöglichen auch komplexe Dialoge mit den Passagieren. Für mitfahrenden Kinder werden kurzerhand Märchen erfunden, bei denen die Kinder die Hauptrollen festlegen und Einfluss auf die Geschichte nehmen können. Für die Erwachsenen werden derweil die geeignetes familienfreundlichen Restaurants in der Umgebung empfohlen.
Natürlich geschieht dies bei den OEMs nicht ohne Eigeninteresse, denn mit KI werden neue Services rund um das In-Car Entertainment ermöglicht, die oftmals über ein zusätzliches Abo-Modell angeboten werden. Zusätzlichen Einnahmequelle, die auch die Kundenbindung steigern sollen. Zudem sind die Nutzerdaten interessant für zukünftige Entwicklungen.
Wenn es um das Infotainment System geht, haben jedoch Google (Android Auto) und Apple (CarPlay) die Nase deutlich vorn. Viele OEMs müssen daher befürchten die Hoheit über das Innenraumerlebnis (und damit auch über ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal) zu verlieren und gehen daher zwei unterschiedliche Wege: Entweder den Weg der Kooperation mit Google/Apple oder den Weg der Entwicklung eines eigenen (meist) linux-basierten OS, wie etwa Tesla, Toyota und Mercedes-Benz. So oder so hebt KI die User Experience auf ein neues Level, da das Kundenerlebnis immer umfangreicher, personalisierter und intuitiver wird.
KI und der Mensch
Wie stark künstliche Intelligenz sämtliche unserer Wirkbereiche auf den Kopf stellen wird, lässt sich anhand der Breite an Integrationen dieser Technologie erahnen. Dabei sind eben nicht nur Leistungsangebote, sondern auch deren Erstellung davon betroffen. Auf welche Weise KI mit Menschen kollaboriert, Aufgaben mittelfristig ganz übernimmt oder neue schafft, wird sich zeigen. Kann KI perfekt sein, wenn es selbst Menschen nicht sind? Auf welche Richtlinien verständigt sich die Menschheit zum KI-Ethik? Die Menschheit wird im Prozess der Definition von KI offen bleiben müssen, wenn sich selbst unsere Wahrheiten über die Zeit verändern. Was die Entscheidungsgewalt betrifft, gab es beim IEEE Diskussionpanel zum Thema "How will AI Impact the Jobs of the Future" zum derzeitigen Zeitpunkt Zustimmung für noch menschliche Entscheidungshoheit.
Consumer Industrie eilt voraus
Neben der Sprachassistenz sind viele neue Features im Cockpitbereich vor allem visuell erlebbar. An große Screens haben sich die meisten Kundinnen und Kunden bereits gewöhnt und viele spannende Entwicklungen aus der rasant wachsenden Consumer Industry bieten eine Menge Integrationspotential im Fahrzeug: Videostreaming, Gaming und weitere Services dürften weiteren Einzug ins Fahrzeug erhalten, auch wenn das vollautonome Fahren noch weiter auf sich warten lässt. Die Consumer Industrie scheint jedenfalls bereit zu stehen, wenn das Auto zum "third room" wird. An den Ständen von Sony, Netflix und Co. konnten Besucher der CES bereits hautnah erleben wie neue Audio- und Videolösungen - oftmals in Kombination mit VR/AR-Brillen zahlreicher Hersteller - ein immersives, virtuelles Erlebnis ermöglichen.
Zulieferindustrie stellt sich breit auf
Im entsprechenden Hardware-Bereich steht die Zeit ebenfalls nicht still: LG oder Samsung präsentierten in der Wüstenmetropole beeindruckende, transparente 4K OLED bzw. LED Screens. Webasto zeigte wie schon auf der IAA 2023 sein dazu passendes bewegliches High-Tech Dachsystem u.a mit dem genannten transparenten Screen von LG. Zeiss hat das Zeitalter der Holographie eingeläutet und kann beispielsweise die Windschutzscheibe in ein transparentes und variables Displays für wichtige Fahrerinformationen verwandeln.
Beim Besuch des Tier1 Yangfeng durfte man in einem Interieur-Demonstrator erleben, was es bedeutet, wenn alle Sinne angesprochen werden und neben Sehen und Hören auch das Fühlen über entsprechenden Aktorik adressiert wird. Magna hingegen hat nicht nur eine neue Generation eines elektrischen Antriebsstrangs präsentiert, sondern auch flexible Sitzsysteme, die auf kleinem Raum eine Campfire-Anordnung ermöglichen. Zudem waren weitere große Zulieferer wie Continental, Bosch oder Valeo mit einer starken Präsenz vor Ort und präsentierten eigene neue Entwicklungen mit integrierten Software-Lösungen.
Auf der anderen Seite drängen Software-Unternehmen nicht nur mit IT-Lösungen den Markt, sondern mit ganzen Systemen für das autonome Fahren oder für das Energiemanagement des Fahrzeugs, so wie Mobileye, Intel oder Qualcomm. Wer auch immer die führenden OEMs oder Mobilitätsdienstleister von morgen sein werden: Auf gut aufgestellte Zulieferer wartet ein wachsender Zukunftsmarkt!
Kollaborationen und Open Plattform
All diese Innovationen gelingen selten allein. So ist Kollaboration das zweite Top-Thema auf der CES. Schon in der ersten beeindruckenden Keynote von Siemens am Vorabend der CES im Palazzo Ballroom des Venetian Hotels, präsentierte Roland Busch, (CEO der Siemens AG) zahlreiche Kooperationen, die Siemens mit Schwergewichten wie Amazon und Sony oder Start-ups wie Unlimited Tomorrow eingeht. Im Fokus der Keynote stand die Vorstellung des Industrial Metaverse, mit dem alle denkbaren Umgebungen in der physischen Welt vorab in der virtuellen Welt abgebildet werden kann. Damit sollen vor allem auch die virtuelle Produktentwicklung (digitaler Zwilling) unternehmensübergreifend vereinfacht, verbessert und beschleunigt werden. Mit offenen und intuitiven Benutzeroberflächen soll das Industrial Metaverse für alle nutzbar werden, auch ganz ohne IT-Studium. Ein ähnliches Ziel verfolgte auch Intel mit seiner Vorstellung der iterate.ai Plattform, die es Kunden ermöglicht eigene KI-Entwicklungen schnell und einfach zu kreieren. Beide Unternehmen sprechen wie so viele auf der CES von einer Demokratisierung von KI: Jedes Unternehmen kann ein KI-Unternehmen werden. In den offenen Plattformen sollen zudem Kooperationen und Datentransfer noch deutlich einfacher und effizienter möglich werden. Für das Software-defined Vehicle sicherlich eine willkommene Entwicklung.
Und wie sieht es mit Kooperationen in der klassischen Automobilindustrie aus? OEMs haben sich längst Partner wie Nvidia, Google oder Intel an Bord geholt, um mit Technologie Know-How seiner Partner die eigenen Leistungsangebote mit neuen Funktionen zu erweitern und das Produkterlebnis "Interieur" zu innovieren. KIA und Uber arbeiten gemeinsam an Robotaxis, VW holt sich wie Daimler ChatGPT an Bord, usw. Die Liste lässt sich noch deutlich verlängern und zeigt eindrucksvoll, dass man mit "cooperate" längst eine dritte Alternative zu "make or buy" gefunden hat.
Starke Präsenz aus Asien
Auffällig auf der diesjährigen CES ist die beeindruckende Dominanz asiatischer Unternehmen. Alleine aus China waren mehr als 1.000 der insgesamt etwa 4.000 Aussteller vertreten. Zudem waren Schwergewichte wie Hyundai, KIA, Honda, Sony, Samsung oder LG mit großen Auftritte präsent und zeigten mitunter visionäre Lösungen. Bei vielen Besuchern dürfte sicherlich das "AeroHT Flying Car" von XPENG und Hyundai bleibenden Eindruck hinterlassen haben. Bei dem laut eigener Aussage seriennahem Prototypen handelt es sich um ein elektrisches Senkrechtstarter- und -landeflugzeug (eVTOL). KIA zeigte mit seiner Platform Beyond Vehicle (PBV) wie flexibel zukünftige Fahrzeugkonzepte sein können. Die Aufbauten der Fahrzeuge können getauscht werden und so zwischen Lieferwagen, Büro und Pick-up wechseln. Im Innenraum wird zudem kurzerhand das Lenkrad bei autonomer Fahrt zur Leselampe. Tesla, GM, Toyota, Ford oder Stellantis suchte man hingegen vergeblich in der Wüstenstadt.
Über die CES
Die CES ist eine der weltweit größten Fachmessen für Unterhaltungselektronik. Sie findet jährlich im Januar in Las Vegas statt und dauert in der Regel vier Tage. Dieses Jahr hatte dieses Jahr seine Hauptorte im Las Vegas Convention Center und im Venetian Hotel . Darüber hinaus gab es zahlreiche weitere Standorte in der Sin City. Insgesamt beträgt die Ausstellungsfläche mehr als 230.000 qm, die von über 4.000 Ausstellern und mehr 1.200 Start-ups genutzt wird. Veranstalter ist die Consumer Technology Association (CTA).